Ecuador/Kolumbien in Zeiten der Corona

Tag 16

Unser letzter Tag heute hier in Mocoa. Wir lassen es ruhig angehen. Nach dem Frühstück gehen wir zur Friedhofsverwaltung und Nadja bezahlt die offene Rechnung für die nächsten vier Jahr für das Grab ihrer Eltern und Geschwister.

Anschließend fahren wir mit dem Bus in die Stadt hinaus zum Friedhof.  Der Friedhof ist wunderschön auf einer Anhöhe gelegen. Man hat einen schönen Blick auf die Berge, die den Ort umgeben. Immerhin bis 1600 Meter hoch. Das satte Grün der Bergwälder, der blaue Himmel und die hellen Grabsteine vermitteln einen friedlichen Eindruck.

Ich liebe die südländischen Friedhöfe, nicht nur in Südamerika, auch die in Südeuropa. Man kann aus ihnen viel über die Lebenseinstellung dieser Völker lernen. Dieser Friedhof gefällt mir besonders. Er ist unterteilt in einzelnen Quadraten, die durch kleine Mauern voneinander getrennt sind. Diese scheinen die einzelnen Wachstumsphasen zu symbolisieren. Was ich zum ersten Mal sehe, ist ein großer Spielplatz im Zentrum. Paradox, sowas kann ich mir in Deutschland nicht vorstelle.

Als wir den Friedhof verlassen, kommt uns ein großer Trauerzug, mit mehr als hundert Menschen entgegen. Corona Zeit – aber alle mit Masken. Es wird Musik über einen vorausfahrenden Pick-up auf die zwei großen Lautsprecher montiert waren abgespielt. In beträchtlicher Lautstärke, allerdings wie Trauermusik hat, es sich nicht angehört. Dahinter wurde der Sarg getragen was eine großartige Leistung in meinen Augen war. Es sind ca. sechs Kilometer zur Stadt und die Sonne meinte es heute besonders gut. So richtig traurig kam der Trauerzug mir nicht rüber, mehr als lärmender Haufen.

Wir nehmen den nächstvorbeifahrenden Bus. Man braucht nur die Hand ausstrecken und er hält an. Haltestellen sind im Prinzip sinnlos. Wir steigen am Park General Santander aus. Er bildet das Zentrum der Stadt. Hier befindet sich auch die Kathedrale San Miguel de Mocoa. Wir, das heißt meine Frau und ich haben aber keine Zeit uns näher umzuschauen. Nidia schleift uns in einem öffentlichen Bürohaus der Stadtverwaltung, wo eine Cousine von ihr arbeitet.

Gemeinsam gehen wir in einem kleinen Kaffee, um etwas zu essen. Ich wollte nur einen Kaffee trinken. Nidia macht daraus ein Spektakel. Das habe ich aber oft beobachtet. Man diskutiert mit dem Kellner wer weiß um was alles. In diesem Fall auch. Mindestens 5 Minuten diskutiert sie mit dem Kellner wegen meinen Kaffee. Stadt einfach zu sagen, Kaffee schwarz, stark ohne Zucker und Milch. Das bekomme ich sogar hin:“por favor, una cofe negro, no leche y azucar“ Sie braucht dafür fünf Minuten. Was bekomme ich nach 10 Minuten, Kaffee schwarz ohne Milch und Zucker. Da sieht man mal wieder wie einfach Männer gestrickt sind und kompliziert unsere Frauen sind. Meine Frau trinkt wie immer Limonade de Coca und die beiden anderen, weiß ich nicht mehr.

Nach dem Kaffeebesuch geht es in die Kathedrale San Miguel de Mocoa. Die Kathedrale San Miguel de Arcangel. Der Name beruht zu Ehren des Heiligen namens Miguel. Für Christen ist er der Beschützer der Kirche und gilt als Anwalt des auserwählten Volkes Gottes. Die katholische Kirche betrachtet ihn als Schutzpatron und Beschützer der Universalkirche. Die koptische Kirche betrachtet ihn zusammen mit Gabriel, Raphael und Uriel als den ersten der sieben Erzengel. Er ist dafür verantwortlich, Luzifer oder Satan, den Erzengel der gefallenen Engel oder des Bösen, zu bekämpfen. Aus diesem Grund wird er in der Kunst als Engel in der Rüstung eines römischen Generals dargestellt, der einen Dämon oder Drachen mit einem Speer oder Schwert bedroht. Er wird normalerweise auch dargestellt, um die Seelen in der Waage zu wiegen, weil er nach der Überlieferung am Jüngsten Gericht teilnehmen würde.

Der Park General Santander ist der wichtigste öffentliche Raum im Stadtgebiet von Mocoa; Austrageort für große öffentliche Freizeit- und Kulturveranstaltungen. Es ist ein gut geplanter und strukturierter Platz für Fußgänger, geschmückt mit mehreren jahrhundertealten Palmen von enormer Höhe, die von einem Priester aus Afrika mitgebracht wurden. Abends gehen die Mocoanos gerne spazieren, konsumieren hier Eis oder braten, sitzen und plaudern. Es hat eine prächtige Bronzestatue von General Francisco de Paula Santander, dem ersten kolumbianischen Präsidenten. Begrenzt wird der Park vom Rathaus, das Kommando der Polizei, das Gouvernement von Putumayo und der Komplex der Kathedrale von San Migue, gebildet durch den wichtigsten katholischen Tempel der Abteilung und das Diözesanhauptquartier. Diese letzten beiden Gebäude sind einzigartige Beispiele der veralteten Kolonialarchitektur in Mocoa

Auf dem Park befinden sich natürlich auch „fliegende“ Händler, die versuchen ihre Ware zu verkaufen und Stände für Essen und Trinken. Ich habe Durst, ich habe immer Durst in Südamerika. Nidia meint ich soll doch das gut gekühlte Bier trinken. Die Verlockung ist groß. Also ein Bier. Meine Verwunderung ist groß, keine Büchse. Ich bekomme ein Plastegefäß mit Bier und Eis und …. Ich weiß es nicht, ich kann mich gut beherrschen, aber so schnell ich den ersten Zug gemacht habe so schnell habe ich es auch wieder ausgespuckt. Es hat scheußlich geschmeckt. Salzig, bitter und nach irgendetwas anderes, was überhaupt nicht zum Biergeschmack gehört. Der Verkäufer schaut mich entgeistert an, es tut mir leid aber meine Geschmacksnerven vertragen diese Art von Getränk nicht. Nidia hat dann dieses Getränk mit sichtlichem Vergnügen genossen. Das mit dem Salz ist mir schon klar. Man isst oft Obst, im besonderen Mangos Stücke, die mit Salz bestreut werden, um den Salzhaushalt aufrecht zu erhalten das durch das Schwitzen verloren geht. Aber im Bier! Das ist fast eine Straftat für mich.

Die Cousine von Nidia verabschiedet sich und geht wieder Arbeiten. Wir, genauer meine Frau und Nidia machen das was sie am liebsten tun. Sie besuchen ein Bekleidungsgeschäft nach dem anderen, ohne etwas zu kaufen. Ich warte jedes Mal treu und brav vor den Geschäften.

Mittlerweile wird es Zeit nach Hause zu gehen. Wir haben unsere Gastfamilie eingeladen, um mit ihnen gemeinsam zum Abendessen zu gehen. Beim nach Hause weg, kommen wir an einen kleinen Platz vorbei die eine Art Terrasse bildet.. Nidia fängt plötzlich a zu weinen. Ich weiß nicht warum. Irgendwie stehen Uschi und ich hilflos neben ihr und wissen nicht so richtig was los ist. Ich nehme sie einfach in den Arm.

Ich weiß das die Stadt Mocoa eine sehr traurige Geschichte hat.  Sintflutartige Regenfälle lösten in der Nacht vom 31. März zum 1. April 2017 eine Schlammlawine aus. Der Fluss Mocoa und seine Zuflüsse traten über die Ufer und verursachten große Zerstörungen. Fast die Hälfte der Gebäude wurden zerstört. Mindestens 280 Menschen starben und mehrere hundert wurden verletzt. Die Regierung versprach unbürokratische Hilfe. Nach dem sich der Nachrichtenrummel gelegt hatte, war auch nichts mehr von der Hilfe zu hören oder zu spüren. Ich sehe da parallelen zu Deutschland. Ich weiß das Nidia bei diesem Unglückstag nahe Verwandte und Freunde verloren hat. Erinnerungen können schrecklich sein.

Mit Überflutungen hat der Ort immer noch zu kämpfen. Viele Bewohner haben vor ihre Haustür eine kleine Mauer errichtet das das Wasser, wenn es über das Bachbett fließt, nicht in die Häuser läuft. Allerding ist diese Bauweise auch nicht gerade Behinderten gerecht.

Nach dem sie sich beruhigt hat gehen wir nach Hause und bereiten uns auf unser Abendessen vor.

Wie schon beschrieben, habe ich unsere Gastfamilie, wohl gemerkt Gastfamilie zum Abendessen eingeladen. In dem Lokal, wo ich hinwollte, haben sie mir abgeraten und machten gleich einen Gegenvorschlag. Mir war es egal. So fuhren wir die E45 Stadtauswärts, Richtung San Juan De Villalobos ziemlich nah am Stadtrand.

Als wir das Lokal betraten viel mir sofort die ungewöhnliche Einrichtung auf. Es war mehr ein kleiner Park als Restaurant. Sitzinseln umgeben von Büschen und kleinen Palmen. ein künstlicher Bach mit Brücke und sehr bunt durch unterschiedliche Farben von Lampen. Nidia redete kurz mit einem Kellner der sofort ein paar Tische mit entsprechenden Stühlen zusammenstellte. Ich zähle 20, zwanzig Stühle. Mir schwandet nichts Gutes. Tatsächlich trafen nach und nach unsere eingeladenen Gäste ein. Zwanzig an der Zahl, Groß und Klein. Jetzt weiß ich auch warum uns geraten wurde das Restaurant zu wechseln. Für mich aber auch wieder eine Lehre, das unterschiedliche Aussagen unterschiedlich ausgelegt werden können. Beim nächsten Mal bin ich bestimmt konkreter.

Trotz dieses Missverständnisses war es ein wunderbarer Abend. Das Essen war gut. Die Getränke waren kühl. Mir ist wieder aufgefallen, kein Alkohol außer mir (wobei Bier, ja in Bayern zum Grundnahrungsmittel zählt.) Es wurde viel erzählt und gelacht. Wobei ich nur die Hälfte verstanden habe. Letzendes hat mir der Abend 250 €uro gekostet. Kein Cent tut mir leid. Diese Leute haben mir so viel Liebe und Gastfreundschaft entgegengebracht. Mir das Gefühl gegeben zur Familie zu gehören. Ich werde diese Menschen immer in guter Erinnerung behalten.

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