Tag 5
Heute begleite ich Nidja in die Schule. Sie hat zwar keinen Unterricht, ist aber zuständig in ihrer Klasse, Tüten mit Süßigkeiten, Säfte und andere Kleinigkeiten an bedürftige Schüler auszuteilen. Diese kleinen Zuwendungen werden vom Bildungsministerium an bedürftige Verteilt. Dazu gibt es eine Liste mit Namen der Schüler. In der Regel holt ein berechtigtes Elternteil diese kleinen Geschenke ab.
Die Schule liegt am entgegengesetzten Ende der Stadt an einen kleinen Weiher, gegenüber einem großen Obst- und Gemüsemarkt. Mit dem Auto sind wir schnell dort. Zurzeit muss sie die Strecke laufen, weil ihr Moped defekt ist. Die Schule selbst ist in einem großen Areal, geschützt durch einen stabilen Zaun. Das Auto stelle ich gleich hinter dem Eingangstor, geschützt von der erbarmungslosen brennenden Sonne ab.
Die Schule besteht aus fünf Schulgebäude mit jeweils einen Klassenraum, einen großen Sportplatz und eine Art von Verwaltungsgebäude. Die Gebäude sind schon ziemlich abgewirtschaftet. Die blaue Farbe des Anstriches lässt sich nur erahnen. Stellenweise hängen lose Kabel von den Ausendecken herab. Es ist unschwer zu erkennen das irgendwann sich dort befindliche Geräte abgeschnitten wurden und zum persönlichen Gebrauch überging.
Die Klassenräume sehen genauso spartanisch aus. Ein Lehrertisch und einige Schülerbänke im klassischen 30 Jahre stiel des vorigen Jahrhunderts stehen zerstreut im Raum herum. Am ende des Raumes zwei alte Schränke und ein altes Bücherregal was gut in einem Museum passen würde.
Ich schaue mich ein wenig außerhalb dieses Schulgebäudes um, für das meine Freundin zuständig ist. Es liegt unmittelbar an einem Teich und soll neben viele Fische auch Krokodile beherbergen. Natürlich bin sehr interessiert welche zu sehen. Ich bahne mir also einen Weg durch das dort wachsende Pflanzengewirr zum Ufer durch. Eine erstaunliche Vielfalt von Grässer und Blumen. Der Teich am Rand voll mit Seerosen. In der freien Wasserfläche konnte man Fischbewegungen erkennen. Aber wo sind meine Krokodile? Ein Fehlschlag, diese waren nicht zusehen. Das Einzige was ich erreicht habe, als ich das Schulgebäude wieder betrat war das meine Freundin herzhaft lachte. Nun sah ich es auch. Meine weißen Hosenbeine waren bis zum Knie grün. Grün von Grassamen mit ekelhaften Widerhaken, die sich dort festkrallen und sich nur schwer entfernen lassen.
Nach dem Nidja ein wenig Luft hat, geht sie mit mir ans Ende des Schulgeländes. Hier beweist sie mir das sie tatsächlich das Blut eines Indios in sich trägt. Sie verfügt über ein enormes Wissen über Flora und Fauna ihrer Heimat. Sie konnte mir jede Pflanze erklären, ihre Besonderheiten, medizinische Anwendungsmöglichkeiten, Genießbarkeit. Kleine Samen scharf wie Paprika, Süß schmeckende pelzige Bohnen ähnliche Gebilde in großen langen braunen Schoten. Die Namen habe ich schon lange vergessen. Gräßer und Blätter die Blutungen stillen, schmerzen abklingen lassen und Kräuter für Suppen.
Ihre Außergewöhnlichen medizinischen Kenntnisse stellte sie mir in einer anderen Gelegenheit unter Beweis. Ich leide seit 20 Jahren unter Diabetes Typ 2 und in der letzten Zeit bekam ich in kaum in Griff. Nidja besorgte sich von einem Bauern irgendwelche Blätter, die sie in Wasser kochte. Den Sud gab sie mir zu trinken. Ich war ein wenig skeptisch, aber es half. Leider konnte ich die Wirkung und Dosis schlecht einschätzen. So, dass ich nach 14 Tagen davon Abstand nahm, weil ich sehr oft in Unterzucker viel. Jetzt weiß ich aber, dass es neben Insulin auch andere Mittel gibt, auf die ich mich stärker konzentrieren werde.
Zurück im Schulgebäude begegneten mir zwei Jungs. Nidja erzählt mir, beide leben mit ihren Vater, in einem Abstellraum der Schule weil sie keine Wohnung oder Haus haben. Sie wurden als Kleinkinder von ihrer Mutter verlassen und der Vater kümmert sich alleine um sie. Der Vater ist Hausmeister der Schule. Mit den großen, Luis 8 Jahre nahm ich Kontakt auf und versuchte ein wenig mit ihn zu plaudern. Ich setzte mich auf einer der Schulbänke, zeigte ihn ein Lesebuch und bat ihn etwas vorzulesen. Sehr erstaunt war ich, wie fließend er die Texte las. Anschließen, nach dem es ein wenig langweilig wurde mahlten wir einige Fratzen an die Tafel. Es war sehr lustig. Nidja gab ich zu verstehen, dass ich das Schulgelände verlassen möchte, um für die Jungs Eis zu kaufen. Davon riet sie mir ab. Besser sei es, für beide ein Mittagessen zu besorgen, da beide nur einmal am Tag was zu Essen bekommen und auch nicht immer warm. Also bestellte ich der Schule gegenüberliegend Imbissstube für beide ein ausgiebiges Mittagessen. Eis haben beide trotzdem bekommen.
Als ich wieder das Schulgelände betrat warteten beide, der Jüngere hieß Elicer und 6 Jahre am Sportplatz auf mich. Luis griff in seine Hosentasche und holte ein Handvoll Glaskugeln heraus und deutete an das ich doch mit beiden spielen sollte. Was ich auch machte. Beim Murmeln bemerkte ich einen Schmetterling, der nicht richtig fliegen konnte. Ziemlich erstaunt sahen beide Jungs zu, wie ich dieses Tier auf ein Blatt setzte. Später konnte ich beobachten das beide, diesen Schmetterling als er wieder runterviel, auf eine andere Pflanze außerhalb des Sportplatzes brachten. Leider hielt ich bei dieser Hitze nur eine halbe Stunde durch. Mittlerweile waren alle Tüten verteilt und wir konnten nach Hause. Als ich meine Sachen aus dem Schulgebäude holte viel bei Blick auf die Schultafel. Dort war ein großes Herz gemalt und mein Vorname stand darin.