Ecuador/Kolumbien in Zeiten der Corona

Tag 18

Als wir aufstehen ist Nidia nicht im Haus. Wir frühstücken in Ruhe und gehen dann zum Zentralen Busbahnhof, ca. 1,5 km vom Haus entfernt. Auch leicht zu finden. Die Stadtstruktur ist ähnlich aufgebaut wie in Kolumbien aus der spanischen Historie heraus. Das typische Schachbrettmuster. Nur hier haben die Straßen einen Namen, in Columbien außer Cartagena bestehen die Straßennamen aus Nummern. 1500 m kann bei der Wärme sehr anstrengend sein.

Der Busbahnhof hat das typische Stadtbild der Region. Die Fahrgäste haben alle Mundschutze und wird durch die Polizei kontrolliert und durchgesetzt. Ich interessiere mich für den Nahverkehr. Musste jedoch feststellen das alle Busse von hier Überregional sind. Sie fahren nach Quito, Tulcán und weiter. Ich interessiere mich mehr für die nähere Umgebung.

Diese Busse fahren mehr vom Stadtzentrum, da werde ich morgen mal schauen. Gemütlich schlendern wir wieder zurück nach Hause, ohne zu vergessen an einen Stand was zu trinken. Ich habe Durst, ich habe in dieser Region immer Durst. Essen ist nicht wichtig für mich, aber trinken.

Zu Hause angekommen ist Nidia noch nicht da und ich nutze die Zeit und lege mich in die Hängematte, die zwischen zwei Kokospalmen gespannt ist. Beobachte die Wolken und höre mir das Geschrei der Hühner an. Besonders leid tat mir eine Henne, die nicht so wollte wie ihr Herr und Gebieter. Ständig verfolgte er sie, um sie gefügig zu machen. Irgendwann reichte es mir und schmiss meine Sandalette nach ihm. Für eine Weile hatte ich Ruhe.

Gegen 14:00 Uhr kam Nidia nach Hause. Ich merkte, ihre Stimmung war nicht die beste. Ich wollte wissen was los ist. Sie erzählte, dass sie auf der Bank war und keine Abhebung durchführen konnte. Grund, ihre Dokumente zum Aufenthalt in Ecuador sind abgelaufen. Sie muss nach Hause, um neue Dokumente zu beantragen. Wann, frage ich. Übermorgen will sie wieder nach Hause fahren. Sie ruft vorher an, dass eine Cousine bereits Termine macht. Schüchtern, fragt sie mich, ob ich mitkomme. Klar, sage ich. Ich habe nichts Besseres vor.

Nach dem diese Sache geklärt war und wir kein Mittagessen hatten. Beschlossen wir zum Freibad zu fahren. Dort gibt es wunderbaren Fisch. Darauf habe ich Appetit. Also nahmen wir ein Taxi und fuhren zu dritt für 3,50 Doller zum 7,5 km außerhalb des Ortes gelegenen Freibades. Der Ort heißt La choza de San Vicente. Die Hitze war wieder unerträglich. Wir fanden ein kühles überdachtes Fleckchen auf der Terrasse des Restaurants. Während Nidia das Essen bestellte, sprangen meine Frau und ich in das lauwarme Wasser.

Wie schon vor Tagen erwähnt, ist diese Freibad weiter nichts als ein aufgestauter Bach. 10 Meter Breit und ca. 150 Meter lang. Auf dem Gelände eine Bar und das erwähnte Restaurant. Als wir aus dem Wasser kamen gesellte sich Andre, jüngster Sohn von Nidia zu uns. Er arbeitet hier tageweise als Ordnungskraft. Ein kleines Baby von 2,10 Größe, Schuhgröße 48. Kreuz wie ein Kleiderschrank und 25 Jahre Jung. Sanft wie ein Lamm. Ein Junge zum Gernhaben. Aber eine Respektperson wie sich kurze Zeit später herausstellte.

Wir bekamen unseren Fisch, natürlich Piranhas, viel Reis, Salat. Das mal 4 zu einem Preis von etwa 10 Dollar. Dazu ein schönes kalte Bier. Das Paradies kann nicht schöner sein.  Währen wir aßen kam eine ältere Frau zu Andre mit der bitte ihr zu helfen. Ich war ein wenig neugierig und beobachtete die ganze Angelegenheit in einen gehörigen Abstand.

Da schienen sich vier jugendliche nicht so richtig grün zu sein und die Situation kurz vor einer tätlichen Auseinandersetzung. Ziemlich unbeeindruckt stellt sich Andre in die Mitte der Jugendlichen und macht sich noch ein wenig größer, wie er schon ist. Die Wirkung war überwältigend. Nach ein paar Worte, die ich natürlich nicht verstanden haben, zogen die jugendlichen ohne weitere Worte ab.

Es ist traurig zu sehen wie die Korruption eines Landes die Entwicklung ihrer Kinder behindern. Andre ist klug, hat Abitur. Er kann aber nicht studieren, weil er das Geld dazu nicht hat. Er hat mit seiner Mutter und seinen älteren Bruder ihr gemeinsames Haus in 11-jähriger Arbeit aufgebaut. Er kann mauern, Fließen legen, betonieren, verputzen, schweißen, Elektro-Leitungen verlegen. Aber er findet keine Arbeit. Um Arbeit zu bekommen, müsste er einen Führsprecher auf Arbeit finden. Der sich beim Arbeitgeber für ihn verbürgt. Dafür bekommt diese Person monatlich 10% vom Gehalt. So ist Andre gezwungen Gelegenheitsjobs zu erledigen als Türsteher, Aushilfe beim Bau oder wie hier, Aufsicht im Bad. Ich möchte ihn gerne helfen, wenn ich wüsste wie.

Das gute Essen und die kalten Biere, es bleibt ja nicht bei den einen verführt zur ungezwungenen Plauderei. Bei dieser Gelegenheit, und da war meine Frau und ich uns schnell einig luden wir Nidia zum Sommer bei uns ein. Ich wusste genau wie sie darauf reagiert. “Ach ja das wäre wunderbar aber ein Traum, der ein Traum bleiben wird.“ Nidia ist eine wunderbare Frau. Ein soziales Herz von feinsten. Aber leider, vermutlich durch viele negative und ich vermutlich eigene schlimme Erfahrung sehr pessimistisch eingestellt. Nicht nur, dass ihr das notwendige Geld fehlt, hat sie unheimliche Angst vor den Fliegen. Für sie ist das ein eiserner Vogel und der Flug wie sie mir später sagte „ein Ritt auf einen Stier“. Zu dieser Zeit konnte ich nicht ahnen wievielt zerstörte Nervenzellen und graue Haare diese Einladung mir brachten. Die nächsten Tage nutzten wir Nidia von der Reise zu überzeugen.

Nachdem wir noch eine Weile im Wasser rumplanschten, fuhren wir im Umweg nach Hause. Unterwegs hielten wir an eine Hütte: Nidia begrüßte die Frau recht herzlich. Sie kannten sich wahrscheinlich gut. Wie schon gewohnt wurden wir, meine Frau und ich als Exoten vorgestellt. Dann meinte Nidia zu mir, ich soll hinters Haus und eine der Enten fangen. Diese soll es Morgen zum Essen gebe. Irgendwann hatte ich wohl erwähnt das ich diese Vögel gerne verspeise.

Hinter dem Haus eine Böschung und kleinen Bach mit echten gut genährten Enten. Der Gedanke, eins dieser Tiere zu fangen und zu schlachten schnürte mir die Kehle zu. Ich weigerte mich und sagte ihr das ich lieber ein Huhn im Supermarkt kaufen würde. Gekauft hat sie was, Gemüse. Zu spät erkannte ich, dass sie mich wieder mal auf den Arm genommen hat.

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