Ecuador/Kolumbien in Zeiten der Corona

Tag 29

Am Vormittag fragt mich Daniel, ob wir nicht Lust haben ein Reservat zu besuchen. Ich war gleich Feuer und Flamme. Wir sollen gegen Mittag auf den Platz sein. Er organisiert das und trifft uns dort.

Gegen 12:00 Uhr fahren wir zu unserem Treffpunkt. Es ist unser alter Bekannter Platz, der Themenpark Nueva Loja. Die Stände sind nach wie vor auf den Platz und das Gedränge ist immer noch groß. Wir Schlägeln uns so durch, bis der Anruf kommt, dass unser Fahrzeug bereitsteht. Es ist ein großes Geländefahrzeug mit acht Sitzplätze. Neben Daniel als Beifahrer waren noch ein junger Mann und ein Mädchen im Auto. Der junge Mann, Daniels Freund. Das Mädchen, eine Freundin aus Venezuela.

Wir fahren Richtung Osten der E10 entlang, Richtung Pacayacu. Nach einer dreiviertel Stunde fahrt, halten wir auf einem kleinen Parkplatz unmittelbar am Flussufer Rio Aguarico. Eine kleine Taverne schließt den Parkplatz ab. Von hier führt ein steiler Pfad zum Fluss hinunter, wo bereits ein Kanu und ein indianischer Führer auf uns wartet.

Ubs – habe ich Indianer gesagt. Bin ich jetzt Rassist? Ich weiß nicht, was neuerdings in einigen Köpfen vor sich geht. Diese ganze Genter Geschichte und all dieser Rassismus Wahn nervt mich gewaltig. Für mich bleiben es Mohrenköpfe und Ziegeunerschnitzel. Ich werde den Berufstand Bäcker oder Koch als dieses ansprechen. Wenn der Bäcker weiblich ist, werde ich es auch so sagen. Ich habe viele andersfarbige Freunde. Eine Afrokolumbianerien habe ich gefragt, ob ich sie beleidige oder respektlos bin, wenn ich schwarze zu ihr sage. Sie sagte mir nein, sie sei ja schwarz und ist darauf stolz. Ehrlich für mich sind diese Personen, die sich solchen Scheiß ausdenken irgendwelche Bürohengste,

die nicht wissen, was sie an ihren Arbeitstagen machen sollen und sich diesen Unsinn ausdenken.

Ich bin immer wieder erstaunt über die breite der Flüsse. Ich glaube die hiesigen Einwohner haben nur ein müdes Lächeln übrig, wenn sie an der Donau, Rein oder Elbe stehen. Obwohl er bisher keine 340 Kilometer hinter sich hat, erreicht er schon eine ziemliche Breite.  Der Río Aguarico entsteht aus dem Zusammenfluss von Río Chinguales und Río Cofanes am Fuße der Cordillera Real. Der Río Chinguales entspringt im äußersten Norden des Landes in den Anden nahe der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze zwischen Tulcán und Ipiales. Von dort fließt er in der Provinz Carchi zunächst vorwiegend nach Süden die Anden hinunter, bevor er in der Provinz Sucumbíos den ecuadorianischen Teil des Amazonasbeckens erreicht, wo er mit dem Río Cofanes zusammenfließt, dessen Quellflüsse weiter südlich an den Osthängen der Anden an der Grenze der Provinzen Imbabura und Sucumbíos entspringen.

Der Río Aguarico entwässert eine Fläche von etwa 13.750 km². Das Einzugsgebiet erstreckt sich im Westen nördlich des Vulkans Cayambe über eine Länge von 90 km entlang der Cordillera Real. Im Norden grenzt es an das Einzugsgebiet des Río Putumayo, im Südwesten an das des Río Coca, im Süden an das des Mittellaufs des Río Napo.

Entlang des Aguarico und seiner Nebenflüsse leben viele indigene Gemeinschaften Amazoniens, darunter Cofanes und Secoyas. Die tropischen Wälder, die der Aguarico durchfließt, sind sehr artenreich, im Fluss selbst leben unter anderem Delfine. In zahlreichen Gebieten um den Aguarico befinden sich Erdölvorkommen, bei deren Ausbeutung es in der Vergangenheit mehrfach zu Unfällen kam, die den Fluss verschmutzten (siehe Ölkatastrophe im nördlichen Amazonastiefland Ecuadors). Auf einer Länge von etwa 85 Kilometern verläuft im Amazonasbecken eine Erdölpipeline, die zum Teil zur ersten nationalen Ölleitung Oleoducto Transecuatoriano gehört, parallel zum Flusslauf.

Nachdem wir es geschafft haben auf das schmale wacklige Kanu zu gelangen und einen Platz gefunden haben ging es schon los. Hier trifft sich wieder alte Tradition mit moderner Technik. Kanu gebaut nach alter Bauweise aber ausgestattet mit einen modernen Heckmotor. Zuerst fahren wir schräg Flussabwärts, Richtung gegenüber liegendem Flussufer. Dabei umschiffen wir eine große Sandbank oder Halbinsel, kann ich nicht so genau beurteilen. Die Strömung hierbei ist nicht zu verachten. Nach 10-minütiger Fahrt wird das Gewässer ruhiger und wir fahren in einer ziemlich weitläufigen Bucht ein. Obwohl es den Anschein hat das wir noch weit vom Ufer entfernt sind berührt der Rumpf des Bootes hin und wieder den Flussgrund. Daniel muss hin und wieder aus dem Kanu springen und mit anschieben das wir über diese Flachstellen kommen. Kurze Zeit später erreichen wir einen ca. 50 Meter Kiess- und Geröllstrand.

Dahinter dichter Urwald, durch dem ein schmaler Trampelpfad führt. Wir folgen diesen Pfad durch den Tropischen Wald. Unterwegs müssen wir einen Bach über einen Baumstamm überwinden. Ich gehe dieses Risiko nicht ein, auszurutschen und ins Wasser zu fallen. Sondern laufe gleich direkt durch den Bach. Unterwegs kommt uns ein Filmteam entgegen die irgendwelche Aufnahmen vom Dorf machten. Nach 10 Minuten erreichen wir eine große Lichtung und vor uns das Dorf.

Ich war sprachlos, ein Indianerdorf habe ich mir anders vorgestellt. Lehmhütten mit Graß- oder Bananenblätterdach. Aber nicht so was, moderne offene, luftige Häuser auf Pfähle und der erste Stock gemauert.

Wir sind in einem Dorf des indigenen Volkes der Cofanes. Diese sind ursprünglich in der Provinz Sucumbios im Nordosten Ecuadors und im Süden Kolumbiens  zwischen dem Río Guamues (einem Nebenfluss des Río Putumayo ) und dem Rio Aquarico (Nebenfluss des Rio Napo)  beheimatet. Ihre Gesamtbevölkerung beträgt jetzt nur noch etwa 2.100 Menschen, verglichen mit etwa 15.000 in der Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Spanier ihre alte Zivilisation zermalmten. Das angestammte Land , die Gesundheit der Gemeinschaft und der soziale Zusammenhalt der Cofan-Gemeinschaften in Ecuador wurden durch mehrere Jahrzehnte der Ölbohrungen schwer beschädigt. Reorganisation, Kampagnen für Landrechte  und direkte Maßnahmen  gegen eindringende Ölanlagen haben jedoch für ein Mindestmaß an Stabilität gesorgt. Zu den wichtigsten Siedlungen gehören Sinanqué, Dovuno, Dureno und Zébola ,  von denen letzterer eine viel umfangreichere Landbasis bewahrt hat.

Wir sind hier in der Siedlung Dureno. Die Cofan sind berechtigt, in dem 195 Quadratmeilen (510 km 2) großen Cofan Bermejo Ecological ( Reserva Ecológica Cofán Bermejo ) zu leben und zu patrouillieren, das am 30. Januar 2002 gegründet wurde. Die Cofan kontrollieren derzeit fast 4.000 Quadrat Kilometer Regenwald. Es ist nur ein Bruchteil der mehr als 30.000 km², die ursprünglich ihrer ehemaligen Nation gehörten

Durch die Ausbreitung der Ölindustrie wurde die indigene Bevölkerungsschicht Schritt für Schritt aus ihrer Stammheimat vertrieben und durch Landlose Bauern aus dem Hochland ersetzt, die billige Arbeitskräfte für die Ölindustrie darstellten.

Seit 2010 formierte sich erheblicher Widerstand gegen die Vertreibung und Raubbau an der Umwelt. Ein Internationales Tribunal bewirkte einstimmig, dass ein 9,5-Milliarden-US-Dollar-Urteil des Obersten Gerichtshofs Ecuadors gegen Chevron wegen „Betrug, Bestechung und Korruption“ erwirkt wurde und diese zu zahlen hatten. Diese Vorzeigegemeinden scheinen mir ein Ergebnis zu sein.

Unser Scout führt uns durch die Siedlung. Alles sehr sauber, keine Abfälle. Das Dorf hat alles – Schule, Kindergarten, Sportstätte. Am Rande des Dorfes, ein riesiger Sendemast für Internet und Fernseh- und Rundfunksender. Eins dieser Häuser können wir, zu mindestens den unteren Teil mal genauer begutachten. Das Erste, was mir auffällt, ein großes bunt bemaltes Bild von einer Anakonda und einer schwangeren eingeborenen. Dieses Bild erzählt den Ursprung der Stämme im Amazonasgebiet. Die Anakonda hat sich mit einer der einheimischen Frau vereinigt. Aus dieser Liebesbeziehung entstanden die unterschiedlichen Stämme des Amazonas.

Daneben ein Tisch mit Handwerksprodukten, in erster Linie Schmuck aus einheimischen Pflanzen und Steinen. Keine billigen Glaskugeln oder ähnliches. Ich musste feststellen, dieses Volk hat ausgezeichnete Handwerker. Nidia fragte mich ob ich Interesse hätte einen echten Medizinmann kennen zu lernen. Wenn ja, müssten wir sofort losfahren, weil dieser ein Stück außerhalb des Dorfes lebt. Kostet aber 30 Dollar. Das kam mir gerade recht, denn ich bin sehr interessiert an dieser Heilkunst. 

Also geht es zügig zum Kanu zurück und wir fahren Flussabwärts. Wir fahren mittig, muss aber noch einmal erwähnen das die Breite des Gewässers sehr beachtlich ist. Die Donau kann sich in ihm verstecken. Trotzdem muss Daniel des Öfteren ins Wasser springen und das Kanu über die untiefen schieben. Das Wasser reicht ihm an diesen Stellen kaum übers Knie. Stellenweise wird die Fahrt doch spannend, und zwar dann, wenn wir über Stromschnellen fahren. Hier brodelt das Wasser sehr gefährlich.  Nach ca. 15 Minuten legen wir am dicht bewachsenen Ufer an.

Hier führt ein steiler, sehr schlammiger und nasser Pfad einen Hügel hinauf. Wie wir das gemeistert haben, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls sind wir alle, ohne in den Matsch zu fallen, unter gegenseitiger Hilfe oben angekommen. Nun folgen wir den gewundenen schmalen Pfad leicht ansteigend bis zu einem kleinen Platz mit einer einfachen Hütte. Hütte wie ich sie mir ursprünglicher weise vorstelle. Nachdem wir eine Hein mit Bananenpflanzen durchquert haben, stehen wir vor einer relativ großen Hütte.

Ja, diese Hütte entspricht meinen Vorstellungen von indigener Bauweise, aus Holz errichtet mit Blechdach. Küche offen von allen Seiten einsehbar. Davor, vermutlich ein überdachter Gemeinschaftsraum. Aber nein, ich falle vom Glauben ab, an der Wand ein riesiger Plasmafernseher. Sowas kann ich mir nicht leisten. Mein Respekt.

Die Frau des Hauses bietet uns einen selbstgemachten Schnaps an, um die Wartezeit zu verkürzen bis der Schamane kommt. Ich glaube es war Chicha. Chicha ist ein Bier aus dem gesamten Andenraum Südamerikas. Dieses wurde schon von den Inkas getrunken und im Allgemeinen durch Fermentation verschiedener Pflanzen durch Speichel zersetzen. Womit die Maisstärke zu Zucker wird, daher auch der gelegentliche Name „Spuckebier“. Mir hat das Getränk sehr gut geschmeckt. Insgeheim hoffte ich die gute Frau bietet mir noch etwas davon an. Aber leider nicht ….

Wir mussten nicht allzu lange warten. Aus dem Wald kam ein älterer Cofana. Was heißt älterer, sein Alter lässt sich schwer beurteilen. Bekleidet mit einem blauen Umhang, und einer Krone aus bunter Vogelfedern. Um den Hals eine Kette aus Raubtierzähnen und einer Kette aus buntenPflanzensamen, die wie Perlen aussahen und ein rotes Halstuch. In der Hand eine Pflanze.

Nidia stellt uns vor. Der Schamane war erstaunt das Nidia seine Sprache exzellent beherrscht. Nach einem kürzeren Gespräch vollzieht er mit meiner Frau und mir eine Beschwörung, um unsere bösen Geister zu vertreiben. Zuerst dachte ich, das stehe ich nicht durch, ohne einen Lachanfall zu bekommen. Es ist nicht zu glauben, in dieser Situation wird man total ernst und die Heiterkeit spurlos verschwunden.

Wir müssen uns auf einen Stuhl setzen. Zuerst beschwört er meine Frau. Dabei spricht er zu diesen Geistern und schlägt mit dieser mitgebrachten Pflanze leicht auf den Körper meiner Frau. Seine Stimme ist sehr ruhig und geht mehr in einem Gesang über. Immer wieder berührt er dabei den Körper und nach den Bewegungen zu urteilen versucht er diese unsichtbaren Geister wegzustoßen. Ich denke das diese Zeremonie bei jeden 3 bis 4 Minuten gedauert hat. Ab jetzt brauche ich keine Angst mehr von bösen Geistern haben.

Nach dem das Beschwören beendet war, versuchte ich den Schamanen über Nidia in einem Gespräch zu verwickeln. Ich sagte schon, ich interessier mich sehr für die Naturmedizin. Ich bin überzeugt das Schulmedizin und die Naturmedizin sich sehr gut ergänzen. Die Naturvölker besitzen ein enormes Wissen über die Heilkraft der dort wachsenden Pflanzen.

Da ich selbst durch Diabetes und einen sehr seltenen Tumor betroffen bin. Mehrere schwere Operationen und Chemotherapie hinter mir habe fragte ich ihn direkt, ob seine Heilkunst hier helfen kann. Seine Antwort, er selbst nicht. In den Bergen jedoch gibt es Medizinmänner, die dazu in der Lage sind, weil dort auch die Notwendigen Pflanzen zu finden sind.  Bei meinem Diabetes habe ich schon positive Erfahrungen gesammelt. Durch die Blätter aus der Nidia Tee macht brauche ich nur noch die Hälfte von Insulin.

Es wird dunkel. Es wird Zeit das wir gehen. Wir verabschieden uns und machen uns zügig auf den Weg zum Kanu. Der Abstieg ist wieder sehr heikel aber keiner viel in den Dreck. Mittlerweile ist es dunkel. Das Kanu fährt Flussaufwärts durch die Nacht. In der Ferne braut sich ein Gewitter zusammen. Blitze erhellen für Sekunden den Himmel. Im dunklen legen wir an einer steilen Böschung an und helfen uns tappend gegenseitig hoch zu unseren Auto. Zufrieden geht es zurück nach Hause.

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