Gleichbehandlung der Völker durch die EU

Am 21.09.21 einigten sich Vertreter der Europäische Union und Kolumbien auf ein „Memorandum of Understanding“ eine Agenda für einen „verstärkten politischen und sektoralen Dialog und eine verstärkte Zusammenarbeit für das nächste Jahrzehnt“ Die Absichtserklärung wurde vom dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Herrn Josep Borrell und der Vizepräsidentin und Außenministerin Kolumbiens, Marta Lucía Ramírez in New York in Anwesenheit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen und des Präsidenten der Republik Kolumbien, Iván Duque Márquez, unterzeichnet. Die Absichtserklärung soll die Bedeutung der Beziehungen zwischen der EU und Kolumbien unterstreichen. Es ist die Absicht, die langjährigen Beziehungen voranzubringen, vertiefen und zu stärken.

Im Allgemeinen gesehen, doch eine gute Sache, wenn ich da nicht andere Meldungen im Hinterkopf hätte. Zum Beispiel die Resolution der EU-Abgeordneten zur Rechtmäßigkeit der USA Blockade gegenüber dem kubanischen Volk. Grund – angebliche Menschenrechtsverletzungen in Kuba.

Nun was, diesbezüglich zu Menschenrechtsverletzung durch Blockaden zu sagen ist hat der an der Harvard-Universität forschende Historiker Garikai Chengdu treffend zum Ausdruck gebracht. „Die US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen stellen das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem zweiten Weltkrieg dar. Sie haben mehr Unschuldige getötet, als alle nuklearen, biologischen und chemischen Waffen, die je in der Menschheitsgeschichte zur Anwendung kamen“.

Zynischer geht es schon nicht mehr. Unter dem Vorwand Menschenrechte verteidigen zu wollen werden Menschenrechte auf das schlimmste verletzt. Mir geht es heute jedoch um etwas anderes. Was unterscheidet Kolumbien von Cuba um massiv durch die EU gefördert und unterstützt zu werden? Betrachten wir uns mal die Unterschiede genauer. Im Memorandum heißt es „Die EU unterhält enge und langjährige Beziehungen zu Kolumbien. Das südamerikanische Land ist ein wichtiger Partner für Multilateralismus, Klimawandel und andere Schlüsselprioritäten wie Frieden und Stabilität. Die Unterstützung des Friedensprozesses (Umsetzung des Friedensabkommens von 2016) durch die EU steht im Mittelpunkt des Engagements der EU“.

Ehrlich, wenn ich das lese fühle ich verarscht. Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 ist doch ein totaler Fehlschlag. Herr Iván Duque hat bereits vor seiner Wahl zum Präsidenten der Republik Kolumbien angekündigt sich nicht an das Friedensabkommen in dieser Form zu halten. Dementsprechend ist auch die gegenwärtige Lage.

So wurde erst vor wenigen Tagen erneute die Tötung eines ehemaligen Guerilleros der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) im Departement Chocó im Westen Kolumbiens gemeldet. Der 36 dieses Jahres und der 286 seit 2016.

Ein wesentlicher Teil des Friedensvertrages bestand darin einer Landreform, mit dem Ziel durchzuführen, illegale Landbesitzer zu enteignen und den Boden seinen ursprünglichen Besitzern zurückzugeben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ein Prozent der Grundbesitzer 81 Prozent der Landfläche in Kolumbien kontrollieren – die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) spricht von der ungerechtesten Verteilung auf dem amerikanischen Kontinent. Brachflächen sollten mit der Landreform, die als Dreh- und Angelpunkt des Friedensvertrages gilt, wieder nutzbar und damit fruchtbar gemacht, Opfer von Landraub und Vertreibung entschädigt werden. Frieden in Kolumbien ist nur zu schaffen, wenn das Problem der ungerechten Verteilung des Landbesitzes gelöst wird.

Was ist davon umgesetzt? So gut wie nichts. Statt den Boden den ursprünglichen Besitzern, den Bauern und Indigenen zurückzugeben, werden diese weiterhin vertrieben. Mehr als neun Millionen Inlandsflüchtlinge hat dieses Land zu verzeichnen, Tendenz ansteigend.

Auf der 48. Sitzung des Ständigen Volksgerichtshofes in Kolumbien wurde der systematische Völkermord an den indigenen Völkern anschaulich dokumentiert und nachgewiesen. Dieses reicht von der physischen Ausrottung einzelner Mitglieder der Gemeinschaften bis hin zu Massaker, Verschwindenlassen, Mord, Zwangsumsiedlung, Auferlegung kultureller Muster. Es wird klar dokumentiert, dass es einen systematischen und kontinuierlichen Prozess gibt, der die Identifizierung der indigenen Völker als „innere Feinde“ deklariert, und so zu behandeln ist. Es konnte auch ein konkreter Zusammenhang hergestellt werden, dass die angeprangerten Praktiken der Verfolgung und Zerstörung genau den Interessen der nationalen und multinationalen Unternehmen entsprechen, die in den Gebieten der indigenen Völker angesiedelt sind oder sich niederlassen wollen um die dortigen Ressourcen wie Erze, Öl, Diamanten zu fördern, oder einheimische Wälder durch die Ölpalme zu ersetzen.

Diese selben Aspekten in Kuba untersucht, konnte ich keine Meldungen von Landvertreibungen, Massaker oder systematische Tötung ehemaliger Regierungsgegner finden. Glaubt mir ich habe lange gesucht wenigstens einen Fall zu finden.

Ein weiterer Punkt dieser Agenda ist der Schwerpunkt Umwelt, Klimawandel, Widerstandsfähigkeit und Biodiversität. Mitten im kolumbianischen Amazonasgebiet forderte Kolumbiens Präsident Iván Duque am 30.08.2021 mehr Anstrengungen für den Schutz der Biodiversität. Bei einer Pressekonferenz im Anschluss an ein online durchgeführtes Treffen mit Staats- und Regierungschefs erklärte dieser Politiker, um das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten zu stoppen, müsse die „internationale Gemeinschaft“ Ressourcen mobilisieren.

Ich betrachte diese Aussage als eine Unverschämtheit. Er, als Umweltschützer. Das ist absolut lachhaft, wenn es nicht so traurig wäre. Das im April dieses Jahres in Kraft getretene Escazú-Abkommen hat Kolumbien bisher nicht ratifiziert. Dieses Regionalabkommen über den Zugang zur Information, Politischen Beteiligung und den Justizzugang in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik wird als eine bahnbrechende Vereinbarung gewertet. Es verbindet erstmals Informations- und Mitbestimmungsrechte sowie den Zugang zur Justiz in Umweltangelegenheiten mit dem Schutz von Menschenrechtsverteidiger.

Aktuell sieht es in Kolumbien so aus, dass dieses Land weltweit die meisten ermordeten Naturschutz-Aktivisten zu verzeichnen haben. In Kolumbien wurden allein 2020, 65 Naturschützer und Umweltaktivisten getötet, wie die Nichtregierungsorganisation Global Witness am 13. September 2021 veröffentlichte. Dabei nicht eingerechnet die 100te Indigene Führer die ihr Leben in Kampf gegen die Landräuber und Multikonzerne verlieren.

Ein trauriges Beispiel dafür ist der Kohlekonzern El Cerrejón auf dem Gebiet des indigenen Volk Wayuu nordöstlich des Landes. Dieser 69.000 Hektar großen Tagebau entzieht dem Land täglich mehr als 17 Millionen Liter des lokalen Wassers. Den Einwohner verbleiben durchschnittlich nur über 0,7 Liter von nicht trinkbarem Wasser pro Tag. Die Lebensgrundlage dieses Volkes ist zerstört. Hunger, Kriminalität und eine hoher Kindersterblichkeit die Folgen.

Erwähnt werden muss auch der Flächendeckende Einsatz von Glyphosat in den Kokain Anbaugebieten. Die Verwendung von Glyphosat verletzt Menschenrechte und auch dem Urteil T-236 des Verfassungsgerichts (Corte Constitucional) sowie Vereinbarungen des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der ehemaligen Guerilla Farc-EP, das im Jahr 2016 unterzeichnet wurde.

Nun zu Kuba. Im Werkstatt Bericht Nr. 83, Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in Kuba: Überblick und kritische Würdigung eines Weges zur Zukunftsfähigkeit durch das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (ITZ) heißt es: „Bei unvoreingenommener Betrachtung weist Kuba trotz aller Schwierigkeiten eine erstaunliche und interessante Vielfalt politischer und gesellschaftlicher Steuerungs- und Regulierungsversuche im Bereich von Umwelt und Nachhaltigkeit auf, die bislang hinter den in westlichen Staaten üblichen Negativklischees versteckt bleiben“

Im Klartext, Kuba tut alles im Rahmen ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten die Umwelt in ihr Gesamtheit zu erhalten. Die Regierung hat den Klimaschutz in die Verfassung aufgenommen und es gibt vielfältige private Initiativen. Was es nicht gibt sind ermordete Umweltaktivisten.

Kolumbien setzt zu großen Teilen auf die Inwertsetzung seiner natürlichen Ressourcen durch multinationale Konzerne – mit entsprechenden Folgen für die Umwelt. Auch vor formal geschützten Territorien wie den insgesamt 59 ausgewiesenen Nationalparks macht die Umweltzerstörung keinen Halt. So wurde erst am Sonntag eine Studie veröffentlicht, laut der 90 Prozent der kolumbianischen Parks beispielsweise durch illegale Rodungen gefährdet sind.

Wollen wir noch einmal auf die Menschenrechte zurückkommen. Ich kenne keinen glaubwürdigen Bericht das in Kuba Menschen durch politische Willkür verschwunden, gefoltert und hingerichtet wurde. Es gibt keinen einzigen Bericht darüber das Journalisten ermordet wurden.

Vor wenigen Monaten fanden in Kuba Demonstrationen gegen die Regierung unter Präsident Miguel Díaz-Canel satt. Interessant die Reaktion der Medien. Erika Guevara-Rosas Amerika-Direktorin bei Amnesty International sagt unter anderem „Anstatt die Bevölkerung zu unterdrücken, haben die kubanischen Behörden die Pflicht, ihr Recht auf friedliche Demonstrationen zu schützen,“ und weiter „die Menschen forderten ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und ein Ende der staatlichen Unterdrückung. Die Bevölkerung leidet unter der andauernden Lebensmittelknappheit, der mangelnde Gesundheitsversorgung und den aktuell steigenden Corona-Infektionszahlen.“

Hier möchte ich diese Frau daran erinnern, ein Land, das seit 1959 unter einer Wirtschaftsblockade leidet hat nun mal wirtschaftliche Probleme. Für die Not dieses Volkes ist die USA und die EU verantwortlich und nicht die kubanische Regierung. Im Weiteren würde ich Ihr raten nicht mit Steinen im Glashaus zu werfen. Ich brauch mir dazu nur ansehen wie in Deutschland, Frankreich, USA mit Demonstranten umgegangen wird.

Wie geht eigentlich der Kolumbische Staat mit seinen Demonstranten um? Ich zitiere einen Abschnitt aus dem Bericht des Wissenschaftliche Dienste des Bundestages unter dem Titel, Demonstrationen und Polizeigewalt in Kolumbien

„Die kolumbianische Regierung begegnet den Demonstrationen in mehreren Städten des Landes seit dem ersten Tag mit brutalen Polizei- und Militäreinsätzen, die Proteste gewaltsam niedergeschlagen und Schusswaffen gezielt gegen Demonstranten eingesetzt haben sollen. Hunderte Demonstranten sollen verletzt oder willkürlich inhaftiert worden sein. Darüber hinaus wird von „Verschwindenlassen“ in zahlreichen Fällen sowie von sexualisierter Gewalt berichtet. Gegen die weitgehend friedlich Protestierenden kommt die speziell zur Bekämpfung von Aufständen gegründete und dem kolumbianischen Verteidigungsministerium unterstehende Spezialeinheit ESMAD (kurz für Escuadrón Móvil Antidisturbios) zum Einsatz. Am 28. Mai 2021 kündigte Duque per Dekret die „vollständige Militarisierung und den Einsatz aller Mittel“ zur Niederschlagung des Streiks an. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren mindestens 80 getötete Demonstranten; darunter fast ausschließlich junge Leute“

Ich fasse zusammen, Kuba ist eine „Diktatur“ mit „gravierenden Menschenrechtsverletzungen“ und der Sturz, dieser Regierung hat mit allen Mitteln forciert zu werden.

Kolumbien eine Demokratie und Freund der Nato wird jede erdenkliche Hilfe zu teil. Dazu soll auch das kürzliche beschlossene Memorandum neben umfangreiche Finanzhilfen beitragen. So unterstützt die deutsche Regierung im Rahmen der deutschen Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) die kolumbianische Regierung bei der Finanzierung der Durchsetzung des Friedensvertrages in Höhe von 3. Mio. Euro. (neben den 575 Mio. Euro durch die EU)

Nur ist der Friedensvertrag nicht durchgesetzt. Unbestritten ist auch, dass ein Großteil des Geldes nicht dort angekommen ist, wohin es sollte. Es würde mich schon Interessieren, wo es geblieben ist. Gut, Kolumbien ist eins der korruptesten Länder der Erde. Da wird schon einiges versickert sein. Interessant für mich jedoch, dass die Militärausgaben von 2016 von 3,07 % des BIP auf 3,4 % des BIP 2020 gestiegen sind. In einer Situation, wo das Land ziemlich stark an einer Wirtschaftskriese leidet. Ein Schelm der da was Falsches denkt.

Volk ist eben nicht Volk

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